Die Bedeutung von Preis- und Währungsstabilität für Unternehmen

45. Öffentliche Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte: "Die Bedeutung von Preis- und Währungsstabilität für Unternehmen"

Organisatoren
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
PLZ
60487
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
24.03.2022 -
Von
Rafael de Santana Nitz, Gesellschaft für Unternehmensgeschichte mbH

Die Aktualität des Tagungsthemas „Die Bedeutung von Preis- und Währungsstabilität für Unternehmen” war angesichts der derzeitigen weltweiten Inflationslage kaum zu übertreffen. Die Vorträge mit anschließender Podiumsdiskussion näherten sich dem Thema dabei in drei Stoßrichtungen: einer historischen Erfassung, einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive und einer Erörterung der geldpolitischen Handlungsoptionen für Notenbanken in Sachen Inflation.

Auf die Grußworte des Leiters des Historischen Museums Frankfurt JAN GERCHOW (Frankfurt am Main) sowie der Vorstandsvorsitzenden des GUG e.V. JULIA SABINE FALKE (Düsseldorf) folgte der erste Vortrag der Tagung durch den Historiker JOHANNES BÄHR (Frankfurt am Main). Bähr legte die Ursachen, Rahmenbedingungen und Verläufe zweier maßgeblicher Inflationsphasen im zeithistorischen Horizont dar und stellte Vergleiche zwischen der Hyperinflation des Jahres 1923 und der Inflation der 1970er-Jahre an. Er strich die Bedeutung der Krise in den 1970er-Jahren für die Analyse der aktuellen Lage heraus und stellte Analogien zur gegenwärtigen Situation her. Mit diesen Überlegungen war eines der Leitthemen für diese Tagung gesetzt, wobei wiederholt auf die Handlungsoptionen zur Eindämmung der Inflation durch die Notenbank verwiesen wurde, was auch der Finanzökonom VOLKER WIELAND (Frankfurt am Main) in seiner folgenden Darstellung aufgriff.

Nach einer Analyse der aktuellen Situation und einer Erläuterung des Konzepts der Inflation erörterte Wieland, inwieweit die Vorschläge Milton Friedmans als Lösung für die derzeitige Krise dienen könnten, auch weil das vergleichsweise gute Abschneiden Deutschlands während der Inflation der 1970er-Jahre auf dessen Lösungsansätzen beruhten. In diesem Sinne sah Wieland die Europäische Zentralbank in der Pflicht, den Leitzins stetig und graduell zu erhöhen bei gleichzeitiger Reduzierung der Nachfrage. Allein das Eingreifen der EZB mithilfe eines Zinsanstiegs könne die Inflationsentwicklung dämpfen und ein Selbststabilisierungsmoment erzeugen, so Wieland.

Ökonom JENS ULBRICH (Frankfurt am Main) schloss inhaltlich an diese Erörterung an und behandelte in seinem Vortrag die geldpolitischen Herausforderungen und Strategien sowie die Verschuldungsfrage der nicht-finanziellen Unternehmen seit Beginn der Pandemie. Zunächst stellte er klar, dass die Inflationsentwicklung seit 1999 zu schwach ausgeprägt gewesen sei, da sich die Inflations-Kernrate auf lediglich ein bis 1,5 Prozent belief. Ulbrich legte dar, dass die Notenbanken bereits vor der aktuellen Krise eine Revision der Inflationsrate auf zwei Prozent als symmetrisches Ziel angestrebt hätten. Die Preise seien indes bereits vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie gestiegen, hätten während 2021 einen kräftigen Schub erfahren und sich durch den Ukraine-Krieg verschärft. Nun bestehe die Frage, ob eine Stagflation wie in den 1970er-Jahren bevorstehe. Einerseits gebe es in der aktuellen Situation durchaus Parallelen zu den 1970er-Jahren, wie beispielsweise den Energiepreisschock. Andererseits sah Ulbrich eine geringere Energieabhängigkeit der heutigen Volkswirtschaft, keine Zweitrundeneffekte sowie eine bessere Geldpolitik durch die Notenbanken. Mit Blick auf die geldpolitische Reaktion resümierte er, dass unter den Konsumenten eine sehr hohe Unsicherheit bestehe, welche sich dämpfend auf die Nachfrage auswirken könnte. Diesen möglichen Effekt gelte es angesichts der inflationstreibenden Einflüsse zukünftig zu beobachten. Ebenfalls sei noch nicht sicher, ob Zweitrundeneffekte durch Lohnverhandlungen moderat blieben, da diese noch anstünden. Besonders kritisch bemerkte Ulbrich, dass sich die Geldpolitik ihrer Verantwortung für die Preisstabilität bewusst sein und dementsprechend gegen die Dominanz der Fiskalpolitik behaupten müsse.

Die Podiumsdiskussion als Abschluss der Veranstaltung wurde von GERALD BRAUNBERGER (Frankfurt am Main) geleitet. Während der Diskussion trat die aktuelle Relevanz des Themas noch einmal deutlich zutage, denn die Redebeiträge hatten einen offenkundigen tagespolitischen Bezug. Wieland kritisierte hier den augenfällig trägen Umgang der EZB mit der Inflation und ihre schleppende Umsetzung der geeigneten Maßnahmen. Ulbrich ordnete die Vorstöße Wielands ein, indem er die Herausforderungen der Geldpolitik betonte, wobei sich beide darin einig waren, dass die Notenbanken sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren müssten. Insgesamt muss für die Diskussion jedoch konstatiert werden, dass die historische Perspektive als ordnendes Element zu kurz kam.

Die Veranstaltung profitierte letztlich deutlich von der Aktualität des Themas. In diesem Sinne waren die Vorträge sowie die Diskussion als Moment zur Evaluierung der Krise für die Tagungsteilnehmenden ein Gewinn. Retrospektiv wird vor allem die Diskrepanz zwischen den bei der Tagung empfohlenen geldpolitischen Handlungsoptionen zur Dämpfung der Inflation und der tatsächlichen Zinspolitik deutlich. So hob die EZB den Leitzins erst im Juli äußerst zögerlich an. Diese Diskrepanzen werden in Zukunft vermutlich ein entscheidender Punkt in der Forschungsdiskussion – auch für Historiker.

Konferenzübersicht:

Jan Gerchow (Frankfurt am Main) / Julia Sabine Falke (Düsseldorf): Begrüßung

Johannes Bähr (Frankfurt am Main): Gewinner oder Verlierer? Inflationserfahrungen deutscher Unternehmen im 20. Jahrhundert

Volker Wieland (Frankfurt am Main): Auf dem Weg aus der Corona-Krise in die Inflation

Jens Ulbrich (Frankfurt am Main): Kommentar

Podiumsdiskussion
Moderation: Gerald Braunberger (Frankfurt am Main)

Johannes Bähr (Frankfurt am Main) / Volker Wieland (Frankfurt am Main) / Jens Ulbrich (Frankfurt am Main)

Redaktion
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Deutsch
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